H. erzählte, er sei im Traum einem
Mann begegnet, der vor nicht allzu langer Zeit an Krebs
gestorben sei. Sie hätten an einem von Gesprächen umbrandeten
Kantinentisch gesessen und über dieses und jenes geredet, aber er
könne sich nicht genau erinnern, woran. Erinnern könne er sich nur
an das wilde lockige Haar, die schnellen, glänzenden Augen, die
drängende Sprache. Er habe gewusst, sagte H., dass er träume, und
er habe demzufolge auch gewusst, dass der Mann, der ihm so lebendig
und anfassbar gegenübersaß, in Wirklichkeit längst tot gewesen
sei. Mit großem Staunen habe er die Lebendigkeit des Traumbilds
versucht in sich einströmen zu lassen. Er habe gedacht, dass ein
jedes noch so lebendige Erinnerungsbild gegen dieses Bild seines
träumenden Geistes verblassen musste. Daraufhin sei er im Traum in
Tränen ausgebrochen, es habe ihn kramphaft geschüttelt. Er habe
sich nicht mehr beruhigen können. Der Mann habe ihn angesehen, und
er, H., habe in seinen Augen erkennen können, dass er um die Gründe
seiner Tränen wusste. Der Mann habe ihn ins Fadenkreuz seines Blicks
genommen und ihm die Hand auf die Schulter gelegt, wie zum Trost. So
sicher, wie er sich gewesen sei zu träumen, genauso sicher sei sich
mit einem Mal sein träumendes Bewusstsein gewesen, dass der Tote
kein Produkt seines Unbewusten war, sondern sich Zutritt verschafft hatte in
seine Traumwelt und um sein eigenes Schicksal wusste. H. winkte ab. Er sagte:
"Was rede ich nur." Und schwieg. Nach einer Weile, in die
Stille des leeren Cafés hinein, sagte er: Je älter er werde, umso
schlimmer wird es. Was, fragte ich. Die Unruhe, sagte er. Ein Glas
fiel zu Boden und zerbrach. H. ging hinter dem Tresen in die Knie,
kehrte die Scherben zusammen. Sein schweres Atmen war zu hören. Es
dauerte eine Weile, bis er wieder auftauchte und von etwas anderem
zu sprechen begann.