Dienstag, 21. Juni 2011

Ein unendliches Glücksgefühl


H. heute, euphorisiert: Er sei im Traum in einem geräumigen Karton, einem leeren Postpaket, geflogen, habe also das erste Mal im Traum über eine Art Fluggerät verfügt, wo er sich doch sonst immer nur gänzlich ohne flugfähigen Untersatz von böigen Winden in die Höhe gerissen geträumt habe, nur um nach dem Abflauen der Bö wieder in die bodenlose Tiefe zu stürzen, in der unsagbaren Angst in tausend Stücke zu zerspringen. Diesmal aber habe er manövrieren können, mehr schlecht als recht, aber immerhin. Ein unendliches Glücksgefühle habe ihm der Traum beschert, bis weit über das Erwachen hinaus.

Montag, 25. April 2011

im Traum, in Tränen

H. erzählte, er sei im Traum einem Mann begegnet, der vor nicht allzu langer Zeit an Krebs gestorben sei. Sie hätten an einem von Gesprächen umbrandeten Kantinentisch gesessen und über dieses und jenes geredet, aber er könne sich nicht genau erinnern, woran. Erinnern könne er sich nur an das wilde lockige Haar, die schnellen, glänzenden Augen, die drängende Sprache. Er habe gewusst, sagte H., dass er träume, und er habe demzufolge auch gewusst, dass der Mann, der ihm so lebendig und anfassbar gegenübersaß, in Wirklichkeit längst tot gewesen sei. Mit großem Staunen habe er die Lebendigkeit des Traumbilds versucht in sich einströmen zu lassen. Er habe gedacht, dass ein jedes noch so lebendige Erinnerungsbild gegen dieses Bild seines träumenden Geistes verblassen musste. Daraufhin sei er im Traum in Tränen ausgebrochen, es habe ihn kramphaft geschüttelt. Er habe sich nicht mehr beruhigen können. Der Mann habe ihn angesehen, und er, H., habe in seinen Augen erkennen können, dass er um die Gründe seiner Tränen wusste. Der Mann habe ihn ins Fadenkreuz seines Blicks genommen und ihm die Hand auf die Schulter gelegt, wie zum Trost. So sicher, wie er sich gewesen sei zu träumen, genauso sicher sei sich mit einem Mal sein träumendes Bewusstsein gewesen, dass der Tote kein Produkt seines Unbewusten war, sondern sich Zutritt verschafft hatte in seine Traumwelt und um sein eigenes Schicksal wusste. H. winkte ab. Er sagte: "Was rede ich nur." Und schwieg. Nach einer Weile, in die Stille des leeren Cafés hinein, sagte er: Je älter er werde, umso schlimmer wird es. Was, fragte ich. Die Unruhe, sagte er. Ein Glas fiel zu Boden und zerbrach. H. ging hinter dem Tresen in die Knie, kehrte die Scherben zusammen. Sein schweres Atmen war zu hören. Es dauerte eine Weile, bis er wieder auftauchte und von etwas anderem zu sprechen begann.